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Der kompakte Baukörper der neuen Sporthalle Waldau schiebt sich in Gelände. Die gestaltete Holzfassade erhält einen kontrastreichen Akzent an der Südecke der Halle, wo der Haupteingang als zurückversetzter und in das Gelände verglaster Bereich ins Auge fällt. Er führt in ein großzügiges Foyer, von dem aus alle Funktionen der Sporthalle auf kurzem Wege erschlossen werden. (Bildquelle: Achim Birnbaum Architektur Fotografie)
Die Sporthalle erhielt eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und eine extensive Dachbegrünung zwischen den Sheddach-Konstruktionen. (Bildquelle: müllerblaustein HolzBauWerke GmbH)
Sowohl für die Stützen als auch für das Dachtragwerk kam Buchen-Furnierschichtholz zum Einsatz. Die schlanken Querschnitte, die hellen Farben im Gebäudeinnern und das über die sheddachartigen Konstruktionen einfallende Tageslicht sorgen für eine freundliche Atmosphäre und optimale Bedingungen beim Sport. (Bildquelle: Achim Birnbaum Architektur Fotografie)
Klar strukturierte Dreifach-Sporthalle in Stuttgart-Waldau

Sporthalle mit Doppelfachwerken

Die klar strukturierte Dreifach-Sporthalle in Stuttgart-Waldau erscheint außen und innen ebenso schlicht wie elegant. Dabei basiert die Form des kammartig geformten Daches auf zehn Fachwerkbindern aus hochtragfähigem Buchen-Furnierschichtholz. Paarweise zu kastenähnlichen Raumtragwerken verbunden und auf Abstand verlegt, bilden sie die formschöne Konstruktion aus. Sie prägt den Innenraum und sorgt für maximal viel Tageslicht in der Halle.

Die im Herbst 2020 fertiggestellte Dreifach-Sporthalle liegt im Zentrum des Sport- und Erholungsgebiets Waldau, des zweitgrößten Sportareals in Stuttgart. Trotz des kompakten Baukörpers mit Abmessungen von 58 m Länge, 50 m Breite und 10,50 m Höhe ist es den Architekten gelungen, das Hallenbauwerk so geschickt in die Umgebung zu integrieren, dass sich sein Volumen beinahe unauffällig in die Landschaft einfügt. Der Neubau ist als Mischkonstruktion konzipiert, wobei aus Gründen der Nachhaltigkeit vor allem Holz verwendet wurde. Lediglich die erdberührten Bauteile sind aus Stahlbeton.

Isometrie des Holzbaus auf dem Stahlbeton-Unterbau. Die Form des Gebäudes ist aus den Anforderungen an Tragwerk und Belichtung der Sporthalle entwickelt worden. (Bildquelle: müllerblaustein HolzBauWerke GmbH)
Explosionszeichnung (Bildquelle: müllerblaustein HolzBauWerke GmbH)

Die Halle selbst ist übersichtlich und klar strukturiert, sämtliche Funktionen sind auf einer Ebene angeordnet. Das Zentrum bildet der Hallentrakt samt Zuschauertribüne. Umsäumt wird er von verschiedenen Funktionsräumen. Im Süden befindet sich der verglaste Eingangsbereich, an den sich ein großzügiges Foyer anschließt. Eine zur Halle hin offene Flurzone verbindet das Foyer mit den Zuschauerbereichen auf der einen und mit dem Multifunktionsraum und der Indoor-Bewegungslandschaft auf der anderen Seite.

Grundriss Ebene 0 (Bildquelle: Glück + Partner GmbH)
Sowohl für die Stützen als auch für das Dachtragwerk kam Buchen-Furnierschichtholz zum Einsatz. Die schlanken Querschnitte, die hellen Farben im Gebäudeinnern und das über die sheddachartigen Konstruktionen einfallende Tageslicht sorgen für eine freundliche Atmosphäre und optimale Bedingungen beim Sport. (Bildquelle: Achim Birnbaum Architektur Fotografie)
Querschnitt (oben) und Längsschnitt (unten) (Bildquelle: Glück + Partner GmbH)

Sheddach-Fachwerkträger aus Buchen-Furnierschichtholz

Für das Dachtragwerk der Sporthalle haben die Planer vor allem Buchen-Furnierschichtholz, auch als Baubuche bekannt, gewählt, mit dem Ziel, möglichst schlanke Querschnitte und geringe statische Höhen zu erhalten. Dabei funktioniert die kammartig geformte Konstruktion wie ein Sheddach. Gebildet wird es aus zehn Fachwerkträgern aus Baubuche der Festigkeitsklasse GL 75, die paarweise zu rund 3,40 m breiten kastenähnlichen Raumtragwerken verbunden wurden. Die Fachwerkträger, deren 28 cm breite und 32 cm hohe Ober- und Untergurte mit einer Überhöhung gefertigt wurden, überbrücken bei einer Trägerhöhe von 2,80 m eine Spannweite von 30,25 m. Shedsparren, ebenfalls aus Baubuche, verbinden die Fachwerke an den Stirnseiten jeweils an den Ober- und Untergurten über Vollgewindeschrauben biegesteif miteinander.
Eingeschlitzte Bleche und Stabdübel stellen die zug- und druckfesten Verbindungen der Fachwerkknoten her. Zusätzlich erhielten die jeweils 21 Tonnen schweren Sheddach-Doppelfachwerke an den Seiten bis zu einer Höhe von 80 cm und obenauf über die gesamte Länge eine 10 cm dicke, weiß lasierte aufgeschraubte Brettsperrholz-Platte. Dabei fungiert die Dachplatte als aussteifende Scheibe. Sie nimmt die in den Fachwerkträgern wirkenden Biege- und Normalkräfte auf und sichert die Querschnitte gegen Verdrehen und Verschieben.

 

Aussteifung des Holztragwerkes ohne Stahldiagonalen

Die Sporthalle ist im Bereich des Hallenbaukörpers als Holzskelettbau aus Brettschichtholz-Stützen und -Träger der Festigkeitsklasse GL 24h konzipiert. Die Außenwände und Wände der Anbauten an die Sporthalle mit Büros, Umkleiden für die Außensportplätze, Multifunktionsraum und Bewegungslandschaft wurden in Holzrahmenbauweise ausgeführt. Das Dachtragwerk der Halle rund um die Sheddach-Konstruktionen und der Anbauten besteht aus einer Balkenlage aus Konstruktionsvollholz (KVH) bzw. Brettschichtholz mit einer Beplankung aus 30 mm dicken OSB-Platten; Letztere sind an den Stößen über Deckleisten zu statisch wirksamen Scheiben verbunden. Im Bereich der Anbauten bleibt die Balkenlage sichtbar. Die Aussteifung des Holztragwerks gegen horizontale Lasten aus Schiefstellung und Wind wird durch sowohl über die Dachscheibe als auch über die Holzwandscheiben ohne Einsatz von Stahldiagonalen gewährleistet.

 

Die Raumtragwerke erhielten über die gesamte Länge seitlich und als Dach aufgeschraubte BSP-Platten. Die Aufdoppelung auf einem der Obergurte sorgt für das Quergefälle der Dachfläche zur Entwässerung. (Bildquelle: müllerblaustein HolzBauWerke GmbH)
Die endmontierten Raumtragwerke wiegen jeweils etwa 22 Tonnen. Mit Folie vor Feuchtigkeit geschützt, wurden sie per Lkw als Sondertransport nach Stuttgart-Waldau gebracht. (Fotos: müllerblaustein HolzBauWerke GmbH)
Ein 500 t-Spezialkran hat die Doppelfachwerke eingehoben und auf den Baubuche-Stützen abgesetzt. Im Anschluss wurden sie direkt montiert. (Bildquelle: müllerblaustein HolzBauWerke GmbH)
Die fünf Raumtragwerke sind montiert. Die noch offenen Dachflächen dazwischen schließen Balkenlagen mit OSB-Beplankungen, wie bereits links im Bild zu sehen. Sämtliche Dach- und Deckenelemente erhielten eine bituminöse Dampfsperre als Feuchte- und Witterungsschutz. (Bildquelle: müllerblaustein HolzBauWerke GmbH)

Innen und außen rundum in Holz

Die raumprägenden Fachwerkträger aus Baubuche stehen stellvertretend für die vielschichtigen Qualitäten des modernen Ingenieurholzbaus. Die Realisierung mit Hilfe einer durchgängigen 3D-Planung, einem weitreichendem Vorfertigungsgrad sowie aufeinander getaktete Transport- und Montageprozesse ermöglichte eine vergleichsweise kurze Bauzeit. Für die Sporthalle Waldau wurde eine Holzmenge von rund 750 m³ verbaut. Das entspricht einer CO2-Speicherung von über 687 Tonnen. Unterm Strich ist der Neubau ein klimaneutrales Gebäude. Der Bau wurde mit 200.000 Euro gefördert und soll als Prototyp des Sportstättenbaus „im Ländle“ Schule machen.

Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe

Projektdaten im Überblick

Bauvorhaben: Dreifach-Sporthalle, Stuttgart-Waldau

Bauherr: Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Sport und Bewegung, vertreten durch das Hochbauamt, D-70173 Stuttgart, www.stuttgart.de/vv/verwaltungseinheit/amt-fuer-sport-und-bewegung.php

Bauzeit: April 2019 bis September 2020

Architektur, Entwurfsplanung: Glück + Partner GmbH, D-70197 Stuttgart, www.glueck-partner.com

Projektsteuerung, Projektleitung: Landeshauptstadt Stuttgart, Hochbauamt

Holzbau Vorfertigung, Montage: müllerblaustein HolzBauWerke GmbH, D-89134 Blaustein, www.muellerblaustein.de

 

Tragwerksplanung: merz kley partner GmbH, A-6850 Dornbirn, www.mkp-ing.com

Bauphysik: Gutbrod Bau Physik Ingenieurbüro GmbH, D-71706 Markgröningen, www.ib-gutbrod.com

Landschaftsplanung: Glück Landschaftsarchitektur GmbH, D-70176 Stuttgart, www.glueck-la.de

HLS: S Plus Ingenieurgesellschaft mbH, D-73230 Kirchheim unter Teck, www.splusgmbh.de

Auszeichnungen: Förderpreis des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), Innovation und Energiewende 2014-2020, Demonstrationsvorhaben Holzbauten