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Die neue Aussegnungshalle auf dem Friedhof Mergeläcker im Karlsruher Stadtteil Wolfartsweier ist ein ebenso schlichter wie formschöner Bau. Er besteht im Wesentlichen aus dem zentralen Kapellenraum und einer Raumklammer, die ihn U-förmig umgibt. Die Schindelbekleidung verleiht dem Solitär eine homogene und warme Ausstrahlung, steht aber durchaus im Kontrast zum Bauhausstil des Gebäudes. (Bildquelle: Stephan Baumann, bild_raum)
Die neue Aussegnungshalle auf dem Friedhof Mergeläcker im Karlsruher Stadtteil Wolfartsweier ist ein ebenso schlichter wie formschöner Bau. Er besteht im Wesentlichen aus dem zentralen Kapellenraum und einer Raumklammer, die ihn U-förmig umgibt. Die Schindelbekleidung verleiht dem Solitär eine homogene und warme Ausstrahlung, steht aber durchaus im Kontrast zum Bauhausstil des Gebäudes. (Bildquelle: Stephan Baumann, bild_raum)
Den Kapellenraum umgeben U-förmig aneinander gereiht ein Aufbewahrungs-, ein Kühl- und ein Technikraum (rechts im Bild) sowie der Pfarrraum und verschiedene kleinere Nebenräume hinter dem hohen Kapellenraum mit extra Eingang. (Bildquelle: Stephan Baumann, bild_raum)
Trotz Kontrast zwischen kubisch gegliedertem Baukörper und Schindelkleid betonen sie sich gegenseitig und wirken ganz natürlich. (Bildquelle: Stephan Baumann, bild_raum)
Isometrie des Tragwerks aus Brettsperrholz-Platten und -Scheiben sowie BSH-Attikaträgern für das weit auskragende Dach (die freistehende Wand vor dem Kapellenraum ist hier nicht dargestellt). (Bildquelle: Holzbauplanung Helmschrott)
Ein Blickfang auf dem Friedhof

Holzskulptur im Schindelkleid

Die neue Aussegnungshalle in Wolfartsweier ist ein Blickfang auf dem Friedhof des etwas außerhalb gelegenen Stadtteils von Karlsruhe. Nicht nur fällt die besondere Form des Gebäudes ins Auge, sondern auch seine Umsetzung in Holzbauweise, die außerdem mit Holzschindeln bekleidet wurde. Die Planer nutzten vor allem Brettsperrholz für den kubisch gegliederten Baukörper. Neben den sich selbst aussteifenden Konstruktionen erforderte vor allem das weit auskragende Dach eine spezielle Lösung.

Was dieses relativ kleine, aber sehr feine Projekt so besonders macht, ist die ungewöhnliche Kombination eines geradlinigen, kubisch gegliederten Baukörpers und seine Umsetzung in Holzbauweise, die außerdem mit für den Schwarzwald typischen Holzschindeln bekleidet wurde.

„Mit einfachsten Mitteln und Formen wurde in beeindruckender Weise sowohl eine architektonische Skulptur als auch ein Ort des Rückzugs, eine Balance von äußerer Erdung und innerem Schweben geschaffen“, heißt es etwa zum Projekt in der Würdigung der Jury des Hugo-Häring-Preises, mit dem der Bau 2020 ausgezeichnet worden ist.

Zentraler Kapellenraum mit hohem Gebäudeteil für stimmiges Licht

Im Zentrum der Aussegnungshalle befindet sich der etwa 8,90 m breite und knapp 12 m lange Kapellenraum mit 60 Sitz- und 40 Stehplätzen. Die Sitzplätze befinden sich im 4 m hohen Bereich des Raumes (Unterkante Akustikplatten), dessen Decke die Architekten im hinteren Viertel auf rund 5,80 m angehoben haben. Das lässt den Ansprachebereich mit Rednerpult vom Rest des Kapellenraums aus besonders hell und nach oben geradezu offen erscheinen.
Das Dach des niedrigeren Teils des Kapellenraums kragt mit einer Länge von etwa 4,75 m über den Eingangsbereich aus und bietet damit weitere überdachte Stehplätze. Bei Anordnung und Ausrichtung der Räume war auch die Reduzierung des Verkehrslärms der nahe gelegenen Autobahn ein wichtiger Aspekt. Eingefasst wird der zentrale Bereich des Kapellenraums daher von einer Art schmalen Klammer, die sich durch eine niedrigere Gebäudehöhe absetzt.

 

Die sichtbar belassene Dachkonstruktion aus Brettschichtholz-Bindern, die zwischen die Attika-Träger - ebenfalls aus Brettschichtholz - eingehängt sind, erhielt eine abgehängte Akustikdecke. Die Trauergäste schauen durch eine knapp 6,50 m lange und gut 2,70 m hohe Fensterfläche in den schmalen Freibereich. (Bildquelle: Stephan Baumann, bild_raum)

Selbsttragende Konstruktion aus Brettsperrholz-Decken und -Wandscheiben

Die tragende Konstruktion des überschaubaren Gebäudekomplexes bilden Wand-, Decken- und Dachelemente aus Brettsperrholz (BSP): So bilden die Wand-, Trennwand- und Deckenelemente der Raumklammer eine in sich stabile, selbsttragende Konstruktion. In die U-Form dieser Konstruktion fügt sich der hohe Teil des Kapellenraums ein. Hier bildet die Rückwand mit 9,15 m Breite und 6,05 m Höhe zusammen mit den beiden knapp 3,30 m breiten Schmalseiten ebenfalls eine U-förmige Konstruktion, die ein rund 2 m hoher wandartiger Träger auf der offenen Längsseite – oberkantenbündig mit den Schmalseiten – zu einem Ring schließt. Die Öffnung darunter schafft mit 3,75 m Höhe den raumbreiten Übergang zum Sitzbereich der Kapelle. Den hohen Kapellenbereich schließen BSP-Platten nach oben hin ab. Trotz der Aussparungen für die Lichtkuppeln trägt die Dachscheibe zur Horizontalaussteifung bei. Damit die Lichtkuppeln von außen nicht in Erscheinung treten, erhielt die Dachdecke rundum eine fast ein Meter hohe Aufkantung. So erreicht dieser Gebäudeteil eine Höhe von knapp 7 m.

Der etwa 106 m² große Kapellenraum ist in einen niedrigen und einen hohen Bereich unterteilt. Der 9 m lange Sitzbereich ist 4 m hoch, der Ansprachebereich im vorderen Viertel des Raumes erhielt dagegen eine Höhe von 5,80 m. Drei Lichtkuppeln sorgen dort für viel Tageslicht. (Bildquelle: Stephan Baumann, bild_raum)
Die Außenwände des niedrigen Bereichs des Kapellenraums setzen sich wegen der großen Fensteraussparungen aus BSP-Wandstreifen und horizontalen BSP-Elementen zusammen. Der BSH-Attika-Träger liegt bei den Längswänden auf den BSP-Wandkronen und ist über eingeklebte Gewindestangen in ihnen verankert. (Bildquelle: Kränzle+Fischer-Wasels)
Der etwa 106 m² große Kapellenraum ist in einen niedrigen und einen hohen Bereich unterteilt. Der 9 m lange Sitzbereich ist 4 m hoch, der Ansprachebereich im vorderen Viertel des Raumes erhielt dagegen eine Höhe von 5,80 m. Drei Lichtkuppeln sorgen dort für viel Tageslicht. (Bildquelle: Kränzle+Fischer-Wasels)
Die Attika-Träger liegen auf den BSP-Längswänden des niedrigen Bereichs der Kapelle auf und kragen 4,75 m aus. Dazwischen gehängte BSH-Träger sorgen zusammen mit den später aufgebrachten Kerto-Q-Platten als Rippendecke für die Aussteifung der Dachkonstruktion. (Bildquelle: Epperlein & Rappsilber GmbH)
Die Attika-Träger liegen auf den BSP-Längswänden des niedrigen Bereichs der Kapelle auf und kragen 4,75 m aus. Dazwischen gehängte BSH-Träger sorgen zusammen mit den später aufgebrachten Kerto-Q-Platten als Rippendecke für die Aussteifung der Dachkonstruktion. (Bildquelle: Kränzle+Fischer-Wasels)
Die Abdichtungslagen werden von der Dachfläche über die Attika verlegt. Verschiedene Lagen in Kombination mit einer Dämmschicht, Wasserspeicherelementen, Entwässerungsgefälle sowie Einläufen stellen die Entwässerung der Flachdachflächen sicher. (Bildquelle: Kränzle+Fischer-Wasels)

Weite Auskragung aus Brettschichtholz-Trägern

Die Ausbildung der Wände des niedrigen Teils des stützenfreien Kapellenraums erfolgte aufgrund der großen Fenster mit stützenartigen BSP-Wandstreifen, die auf den beiden Längsseiten durch horizontale BSP-Elemente ergänzt wurden bzw. analog über der Eingangsseite. Eine konstruktive Besonderheit bildet die Decke in diesem Bereich bzw. die tragwerksplanerische Lösung zur Abfangung der Kräfte der großen Auskragung: Hierfür wählten die Ingenieure rund 13,50 m lange Attika-Träger aus Brettschichtholz (BSH, GL 32h). Sie setzen flächenbündig auf den horizontalen BSP-Wandelementen auf und kragen etwa 4,75 m weit über den Eingangsbereich aus. Um die Zugkräfte dieser Auskragung aufnehmen zu können und einem Abheben der Decke entgegenzuwirken, hat man pro Seite jeweils sechs eingeklebte Gewindestangen durch die BSH-Träger hindurch in die Wand-Elemente hinein geführt und dort verankert. Zwischen die BSH- bzw. Attika-Träger wurden BSH-Deckenbalken über Balkenträger eingehängt. Eine 4 cm dicke Kerto-Q-Furnierschichtholzplatte schließt den Raum nach oben ab. Sie fungiert als aussteifende Scheibe. Zusammen mit den übrigen Dachscheiben sorgt sie für die Horizontalaussteifung. Für das Gebäude mussten die Tragwerksplaner außerdem einen Erdbebennachweis führen – es liegt in der Erdbebenzone 1.
 
Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe

Projektdaten im Überblick

Bauvorhaben: Aussegnungshalle in Karlsruhe, Ortsteil Wolfartsweier

Bauherr: Stadt Karlsruhe, Amt für Hochbau und Gebäudewirtschaft, 76133 Karlsruhe

Architekten: Kränzle+Fischer-Wasels Architekten BDA, 76137 Karlsruhe,
www.kraenzle-fischerwasels.de

Tragwerksplanung: Schuler – Ingenieurbüro für Bautechnik, 76185 Karlsruhe, www.ib-schuler.de

Werkstattplanung: die Holzbauplaner, Holzbauplanung Helmschrott, 89428 Staufen-Syrgestein, www.die-holzbauplaner.com

Hersteller BSP-Elemente: Mayr-Melnhof Holz GmbH, A-8700 Leoben, www.mm-holz.com

Schindelfassade: Reimann Holzbau, 72270 Baiersbronn, www.reimann-holzbau-online.de