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Seit 2022 hat die Stadt Tübingen für ihre Feuerwehr einen Holzbau als zeitgemäßes Funktionsgebäude. Die Flachdachfläche des Baus ist zudem mit einer Photovoltaik-Anlage als auch mit Solarthermie-Paneelen ausgestattet. (Foto: Oliver Rieger)
An die Halle grenzt an der Nordseite ein eingeschossiger Gebäudefinger für Lager, Werkstatt und Trockenraum an. Am anderen Ende der Halle, auf der Südseite, schließt ein zweigeschossiger Gebäudeteil an, dessen Attikahöhe die Höhe der Halle aufnimmt. (Foto: Gaus Architekten)
Die hinterlüftete Verschalung aus unterschiedlich breiten Lärchenholzlatten markiert das Feuerwehrgebäude bereits von außen deutlich als Holzbau. (Foto: Oliver Rieger)
Nachhaltige Architektur und ressourcenschonender Holzbau

Feuerwehrhaus mit Kurven

Die süddeutsche Stadt Tübingen ist sehr engagiert, wenn es um nachhaltige Architektur und ressourcenschonenden Holzbau geht. Und so steht seit Ende 2022 im Stadtteil Lustnau nun das erste Feuerwehrhaus in Holzbauweise. Das Gebäude ist eine Mischung aus Ingenieurholzbau und Holzrahmenbau.

Form und Ausrichtung des Neubaus ergaben sich in erster Linie aus den notwendigen Funktionsabläufen der Feuerwehr. Optimierte Bewegungs- und Funktionsabläufe waren daher die wesentlichen Parameter des Entwurfs. Das Gebäude besteht aus einer knapp 7 m hohen Fahrzeughalle, die leicht schräg auf dem Grundstück platziert wurde und als Durchfahrthalle konzipiert ist. In der Halle finden fünf Einsatzfahrzeuge und zwei Wechsellader Platz. Die transparenten, rund 5,10 m hohen Tore bringen an den Längsseiten mit ihrem hohen Glasanteil viel Licht in den Raum, so dass dieser von der Feuerwehr auch für Veranstaltungen genutzt wird. An die Halle grenzt an der Nordseite ein eingeschossiger, etwa 4,50 m hoher Gebäudefinger an für Lager, Werkstatt und Kleider-Trockenraum. Am anderen Ende der Halle, auf der Südseite, schließt sich ein zweigeschossiger Gebäudeteil an, der mit einer Attikahöhe von rund 7,70 m die Höhe der Halle aufnimmt.

Das Tragwerk der Fahrzeughalle bilden „Trägern auf zwei Stützen“ in Reihung, das heißt Brettschichtholz-Träger in Fischbauchform auf Brettschichtholz-Stützen. (Foto: Oliver Rieger)

Unterschiedliche Holzkonstruktionen ergänzen sich

Fast der gesamte Bau wurde aus Holz gefertigt, lediglich die Bodenplatte sowie der Erschließungskern aus Aufzugsschacht und Treppenhaus sind zur Aussteifung von Halle und Schulungsbau in Stahlbeton ausgeführt. Bereits von außen ist das Feuerwehrgebäude mit einer hinterlüfteten Verschalung aus unterschiedlich breiten Lärchenholzlatten deutlich als Holzbau zu erkennen. Das Gebäude ist eine Mischung aus Ingenieurholzbau und Holzrahmenbau, das heißt es kombiniert ein Tragwerk aus Trägern und -Stützen, für das sowohl Brettschichtholz, als auch Buchen-Furnierschichtholz (Buchen-FSH, auch Baubuche genannt) genutzt wurde, mit wärmegedämmten Holzrahmenbauwänden plus Brettsperrholz- und Brettschichtholz-Decken.

Das Tragwerk der Fahrzeughalle bilden „Trägern auf zwei Stützen“ in Reihung, das heißt 14 m lange und 28 cm breite Brettschichtholz-Träger in Fischbauchform, deren Höhe am Auflager 84,5 cm misst und in Bindermitte 1,14 m, liegen auf 28 cm breiten und 44 cm tiefen Brettschichtholz-Stützen auf und bilden im Achsabstand von 4,50 m die Halle.  Die übrigen Gebäudeteile bestehen aus Holzrahmenbauwänden mit deckengleichen Unterzügen und Stützen aus Brettschichtholz. Im Gebäudeinneren werden die BauBuche-Träger mit 40 cm Höhe und 24 cm Breite von quadratischen BauBuche-Pfosten (18 cm x 18 cm) gehalten.
Die Außenwand-Elemente erhielten eine Mineralwolldämmung plus Holzweichfaserplatten sowie eine OSB-Beplankung zur Innenseite. Im Verwaltungsgebäude wurde diese aus brandschutztechnischen Gründen um eine Gipsfaser-Feuerschutzplatte ergänzt. Gipsfaserplatten schließen den Wandaufbau nach innen ab, wobei in der Halle teilweise mit zementgebundenen Bauplatten gearbeitet wurde.

Speziell ist die Brandwand zwischen Verwaltungsbau und Halle: eine Ständerkonstruktion mit einer mittigen 18 cm dicken Glaswolleschicht, jeweils links und rechts mit OSB-Flachpressplatten sowie zementgebundenen Bauplatten beplankt. Die Brandwand verspringt im Erdgeschoss Richtung Verwaltungsfinger, weshalb die Decke hier als F60-Brettsperrholz-Decke mit Brettschichtholz-Überzug ausgebildet wurde. Der gesamte übrige Deckenbereich ist als Brettschichtholz-Decke ausgebildet, ebenso wie ein Großteil der Decken im Obergeschoss. Bei den Decken der Schulungs- und Aufenthaltsräume handelt es sich um Lignotrend-Decken mit Akustikbekleidung.

Sämtliche Holzrahmenbauwände wurden im Werk vorgefertigt und als Elemente auf die Baustelle geliefert. Der insgesamt hohe Vorfertigungsgrad aller Holzbauteile und -elemente ermöglichte eine sehr kurze Bauzeit von nur eineinhalb Jahren.

 

Das Gebäude ist eine Mischung aus Ingenieurholzbau und Holzrahmenbau, das heißt, es kombiniert Holzrahmenbauwände beim Verwaltungsgebäude mit einem Tragwerk aus Trägern und Stützen für die Halle. (Foto: Gaus Architekten)
Die Außenwände erhielten eine Mineralwolldämmung plus Holzweichfaserplatten sowie eine OSB-Beplankung zur Innenseite. (Foto: Gaus Architekten)
Für den Großteil der Decken kam Brettschichtholz zum Einsatz. Bei den Decken der Schulungs- und Aufenthaltsräume handelt es sich allerdings um Lignodecken mit Akustikbekleidung. (Foto: Gaus Architekten)
Die Böden in den Schulungs- und Jugendraumbereichen sind mit Industrie-Stäbchenparkett aus Eichenholz belegt. Bei den Decken aus Fichten-Brettschichtholz konnte man auf eine Bekleidung verzichten. (Foto: Gaus Architekten)

Nahezu ein Passivhaus

Die Flachdachfläche des Baus ist überwiegend extensiv begrünt und zudem sowohl mit einer Photovoltaik-Anlage als auch mit Solarthermie-Panel ausgestattet. Letztere ergänzen eine Holz-Pellet-Heizungsanlage. Obwohl das Gebäude nicht gleichmäßig beheizt werden muss, erreicht der Verwaltungstrakt nahezu den Passivhausstandard. Durch seinen Vorbildcharakter als nahezu kompletter Holzbau unterstützte das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Stadt Tübingen im Rahmen des Holz-Innovativ-Programms (HIP) mit 300.000 Euro aus Mitteln des REACT-EU-Programms bzw. aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe

 

Für das dahinterliegende Wohngebiet dient das im Grundriss S-förmige, etwa 7 m hohe Gebäude als Lärmschutzwand gegenüber der Stuttgarter Straße. (Foto: Oliver Rieger)

Projektdaten im Überblick

Bauvorhaben: Feuerwehrhaus mit Verwaltungsgebäude, Tübingen-Lustnau

Fertigstellung: 2022

Bauherr: Universitätsstadt Tübingen, Fachbereich Hochbau und Gebäudemanagement

Architektur: Gaus Architekten, 73033 Göppingen, www.gaus-architekten.de

Tragwerksplanung: Schneck Schaal Braun, Ingenieurgesellschaft Bauen mbH, 72070 Tübingen, www.schneck-schaal-braun.de

Holzbau: Zimmerei Hämmerle, 72072 Tübingen-Bühl, www.zimmerei-haemmerle.de

Abbundplanung: DC-Planungsbüro, Christian Dolt, 76863 Herxheim

Auszeichnungen: DMK Award für Nachhaltiges Bauen, Iconic Award – Innovative Architecture 2023, German Design Award Winner 2024, International Design Award 2023: Silver (Sustainable Architecture), International Design Award 2023: Gold (Public Space Architecture), French Design Award 2024: Gold, iF Design Award 2024